Stimmzettel-Formate: Wie sollten die Wähler ihre Präferenzen ausdrücken?
Ein wichtiger Bestandteil der Entscheidung für ein Wahlsystem für Bürgerbudgets ist die Gestaltung des Stimmzettels. Wir nennen dies das "Input-Format", weil es sich auf den Input der Wahlregel bezieht. Das Input-Format gibt an, wie die Wähler ihre Präferenzen über Projekte zum Ausdruck bringen können. Es gibt mehrere verschiedene Input-Formate, die von Städten mit Bürgerbudgets häufig verwendet werden:
- Zustimmungsabstimmung (die Wähler können z. B. für bis zu 10 Projekte stimmen, aber nur 1 Mal pro Projekt). Wir empfehlen dieses Input-Format. [mehr]
- Punktevergabe (z.B. können die Wähler 10 Punkte auf Projekte verteilen, wobei sie demselben Projekt mehrere Punkte geben können). Wir empfehlen dieses Input-Format. [mehr]
- Knapsack-Abstimmung (die Wähler können für so viele Projekte stimmen, wie sie möchten, solange die Gesamtkosten der ausgewählten Projekte das Budgetlimit nicht überschreiten). Dieses Input-Format ist nicht zu empfehlen. [mehr]
- Ranglistenabstimmung (die Wähler können z. B. 3 Projekte in der Reihenfolge ihrer Präferenz auswählen). Wir empfehlen dieses Input-Format nicht. [mehr]
Die Methode der gleichen Anteile ist mit all diesen Input-Formaten kompatibel, so dass die Städte das Input-Format wählen können, das ihren Bedürfnissen am besten entspricht. Im Folgenden erörtern wir die Vor- und Nachteile der einzelnen Input-Formate.
Wir empfehlen die Nutzung von Zustimmungsabstimmungen, da dies das am weitesten verbreitete Input-Format für Bürgerbudgets ist und es leicht zu verstehen ist. Die Verteilung von Punkten ist eine gute Alternative, die es den Wählern ermöglicht, detailliertere Präferenzen auszudrücken.
Auf Wikipedia finden Sie eine Liste von Städten, die Bürgerbudgets verwenden, in der auch das jeweils verwendete Input-Format erwähnt wird.
Zustimmungsabstimmung (empfohlen)
Bei einer Zustimmungsabstimmung (englisch approval voting), können Wähler eine bestimmte Anzahl von Projekten auswählen, denen Sie "zustimmen". Dies ist das am häufigsten genutzte Input-Format.
- Vorteil: Dieses Input-Format ist einfach zu verstehen und einfach zu benutzen.
- Vorteil: Die Methode der gleichen Anteile ist besonders einfach zu erklären wenn eine Zustimmungsabstimmung verwendet wird.
Maximale Anzahl von Stimmen
Die meisten Städte bestimmen eine maximale Anzahl von Projekten, denen ein Wähler zustimmen darf:
- Bis zu 15 Projekte: Warschau (Bezirksprojekte, seit 2020)
- Bis zu 10 Projekte: Warschau (stadtweite Projekte, seit 2020), Lyon (2022)
- Bis zu 5 Projekte: Warschau (2015), Łódź (2017-21), Cambridge MA (2016–21), New York City (2015–19), Montreal (2021), Paris (2015–17)
- Bis zu 4 Projekte: Paris (2018–19)
- Bis zu 3 Projekte: Toulouse (2022), Mailand (2018), Rom (2019), Gdynia (2020–21)
Wir empfehlen eine großzügige Obergrenze, damit die Wähler ihre gesamten Präferenzen zum Ausdruck bringen können.
Eine weitere Möglichkeit wäre, überhaupt keine Höchstzahl von Stimmen festzulegen, so dass Wähler selbst entscheiden können, wie viele Projekt sie auswählen. Dies hat mehrere Vorteile:
- Wähler, die viele Projekte mögen, können sie alle unterstützen.
- Wenn es eine Höchstzahl gibt, werden sich einige Wähler unter Druck gesetzt fühlen, jede verfügbare Stimme zu nutzen; ohne eine Höchstzahl wird dies vermieden.
Bei der Methode der gleichen Anteile haben die Wähler keinen Vorteil, wenn sie für wenige oder für viele Projekte stimmen, da jeder Wähler einen gleichen Anteil des Budgets kontrolliert.
Minimale Anzahl von Stimmen
In einigen Städten gibt es auch eine Mindestanzahl an Projekten, für die jeder Wähler stimmen muss. Beispiele sind Lausanne (2022) und Toulouse (2019), die von den Wählern verlangen, für mindestens 3 Projekte zu stimmen.
Ein Vorteil dieser Mindestanzahl ist, dass die Wähler dazu ermutigt werden, sich mit der gesamten Liste der Projekte zu befassen. Einige Wähler sind vielleicht nur gekommen, um für ein einziges Projekt zu stimmen, von dem sie gehört haben, aber mit einer Mindestanzahl müssen sie sich auch die anderen Projekte ansehen. Wenn ein Wähler für mehrere Projekte stimmt, hat die Methode der gleichen Anteile außerdem eine bessere Chance, den Wähler zufrieden zu stellen, wenn sein Lieblingsprojekt nicht gewählt wird.
Ein Nachteil der Festlegung einer Mindestzahl ist, dass es Wähler geben kann, die wirklich nur für ein Projekt stimmen wollen, und es könnte für sie frustrierend sein, für Projekte stimmen zu müssen, die sie nicht unterstützen wollen. Dies ist weniger wahrscheinlich ein Problem, wenn es eine große Vielfalt von Projektvorschlägen gibt.
Punkte verteilen (empfohlen)
In dem Input-Format "Punkte verteilen" erhält jeder Wähler eine bestimmte Anzahl von Punkten (z. B. 10 Punkte), die er nach Belieben auf Projekte verteilen kann. Er kann z.B. alle 10 Punkte an ein einziges Projekt vergeben, oder er kann je 1 Punkt an 10 verschiedene Projekte vergeben, oder jede andere Kombination. Sie können auch z. B. 6 Projekten je 1 Punkt und 2 anderen Projekten je 2 Punkte geben. Dieses Format wird von mehreren Städten benutzt:
- Aarau: verteile 10 Punkte
- Częstochowa: verteile 10 Punkte
- Toulouse (2019): verteile 7 Punkte, wobei jedes Projekt höchstens 3 Punkte erhalten darf
- Straßburg (2019, 2021): verteile 5 Punkte
- Danzig (2016–22): verteile 5 Punkte
Ein Vorteil dieses Systems ist, dass die Wähler ihre Präferenzen sehr flexibel zum Ausdruck bringen können. Wähler, denen einige Projekte besonders am Herzen liegen, können diesen eine hohe Punktzahl geben. Gleichzeitig können Wähler, die viele verschiedene Projekte mögen, ihnen jeweils eine geringe Punktzahl geben.
Wähler sollten nicht alle ihre Punkte auf ein einziges Projekt setzen, denn wenn dieses Projekt nicht gewinnt, hat die Stimme keinen Einfluss.
Bewertungswahl (Range voting)
Einer Bewertungswahl (english range voting) ist ähnlich wie die Punkteverteilung, nur dass es keine Obergrenze für die Anzahl der Punkte gibt, die ein Wähler insgesamt verteilen kann. Stattdessen gibt es eine Grenze für die Anzahl der Punkte, die ein Wähler an ein einzelnes Projekt verteilen kann. Diese Obergrenze könnte zum Beispiel 5 Punkte sein; dann können die Wähler für jedes Projekt entscheiden, ob sie ihm 0, 1, 2, 3, 4 oder 5 Punkte geben. Dies ist vergleichbar mit dem bekannten 5-Sterne-Bewertungssystem auf Amazon oder Google Maps.
Die Methode der gleichen Anteile funktioniert gut mit einer Bewertungswahl, genauso wie bei der Punkteverteilung. Sowohl eine Bewertungswahl als auch die Verteilung von Punkten sind gute Input-Formate.
Paris (2021–23) verwendet eine Version einer Bewertungswahl für ihr Bürgerbudget, bei der die Wähler jedes Projekt auf einer 4-Punkte-Skala bewerten können. Das gesamte Abstimmungssystem basiert jedoch nicht auf der Bewertungswahl, da Paris das so genannte "majority judgment" als Abstimmungsmethode verwendet.
Knapsack-Abstimmung
Eine Knapsack-Abstimmung ist ähnlich wie eine Zustimmungsabstimmung. Anstatt eine Höchstzahl von Projekten, für die man stimmen kann, vorzuschreiben, können die Wähler für so viele Projekte stimmen, wie sie wollen, solange die ausgewählten Projekte die Budgetgrenze nicht überschreiten. Dieses Verfahren wird von einer Reihe von Städten angewandt, insbesondere von Madrid und Barcelona. Die Knapsack-Abstimmung ist das Standard-Input-Format der Abstimmungsplattform decidim. Ein Vorteil einer Knapsack-Abstimmung ist, dass sich die Wähler besser über die Budgetgrenze im Klaren sind.
Aus unserer Sicht sind Knapsack-Abstimmungen nicht zu empfehlen. Knapsack-Abstimmungen sind problematisch, wenn:
- es viele günstige Projekte gibt, weil die Wähler dann eine große Anzahl von Projekten auswählen müssen, um das Budget zu füllen, was eine große Arbeitsbelastung darstellt.
- es einige sehr teure Projekte gibt, weil die Wähler möglicherweise nicht für alle Projekte stimmen können, die sie mögen. Dies kann zu schlechteren Wahlergebnissen führen.
Die Methode der gleichen Anteile ist jedoch mit der Knapsack-Wahl kompatibel und funktioniert genauso wie die Zustimmungswahl.
Ranglistenabstimmung
In einigen Städten können die Wähler zunächst eine kleine Anzahl von Projekten (in der Regel 3 bis 5) auswählen und dann eine Rangfolge dieser Projekte festlegen. In Krakau (2019-21) können die Wähler beispielsweise drei Projekte auswählen und diese in eine Rangfolge bringen, wobei dem erstplatzierten Projekt 3 Punkte zugeteilt werden, dem zweitplatzierten Projekt 2 Punkte und dem drittplatzierten Projekt 1 Punkt.
Some cities allow voters to first choose a small number of projects (usually 3–5), and then let them rank these projects in order of preference. For example, Kraków (2019–21) lets voters choose 3 projects and rank them, where 3 points are assigned to a voter's top choice, 2 points to the second choice, and 1 point to the third choice.
Aus unserer Sicht sind Ranglistenabstimmungen nicht zu empfehlen. Wir sind der Meinung, dass es besser ist, die Wähler die Punkte selbst verteilen zu lassen, anstatt sie zu zwingen, die Punkte nach einer Rangfolge zu vergeben. Außerdem kann die Benutzeroberfläche (Drag-and-Drop) für die Ranglistenabstimmung schwierig zu bedienen sein.
Die Methode der gleichen Anteile ist jedoch mit der Ranglistenabstimmung kompatibel, da eine Rangliste in eine Punkteverteilung umgewandelt werden kann. Wie bereits erwähnt, wandelt Krakau eine Rangliste in 3-2-1 Punkte um. Brest (2022) verwendet das gleiche System. Gdynia (2016-19) verwendete 5-4-3-2-1. New South Wales (2019) verwendete 10-5-3-2-1.
Es gibt keine objektive Methode, um zu entscheiden, wie die Ranglisten in Punkte umgerechnet werden sollen.
Stimmabgabe für ein einziges Projekt
In einigen Städten hat jeder Wähler genau eine Stimme, kann also genau ein Projekt auswählen.
Wir raten stark davon ab, Wählern nur eine einzige Stimme zu geben. Damit können die Wähler ihre Präferenzen nicht sinnvoll zum Ausdruck bringen. Wähler, die für ein Projekt stimmen, das nicht gewinnt, haben danach keinerlei Einfluss auf das Wahlergebnis. Dieses Input-Format benachteiligt außerdem kleinere Projekte, da die Wähler eher für ein großes Projekt als für ein kleines Projekt stimmen werden.
Vergleich der Input-Formate
Einfachheit der Nutzung
Benadè et al. (2022) führten eine empirische Studie mit 1 800 Teilnehmern (rekrutiert über Amazon Mechanical Turk) durch, um verschiedene Input-Formate für Bürgerbudget-Wahlen zu vergleichen. Sie kommen zu dem Schluss, dass "Zustimmungsabstimmungen mit einer Obergrenze für die Anzahl der Stimmen zu der besten Nutzererfahrung führt". Das folgende Diagramm zeigt, wie lange die Studienteilnehmer brauchten, um den Abstimmungsprozess für jedes Input-Format abzuschließen.
In dieser Studie ging es um eine Zustimmungsabstimmungen mit Stimmen für höchstent 5 Projekte, bei der Punkteverteilung wurden 100 Punkte verteilt, und bei der Rangfolge wurden alle Projekte (10 oder 20) in eine Rangordnung gebracht.
Benadè et al. (2022) fragten die Wähler auch, wie einfach sie die Abstimmungs fanden. Sie berichten, dass "die Punkteverteilung als recht einfach zu handhaben bewertet wurde, obwohl es sich um eines der zeitintensiveren Formate handelt. Die Zustimmungsabstimmung wurde als deutlich einfacher zu handhaben eingestuft als alle anderen Formate mit Ausnahme der Verteilung von Punkten". Teilnehmer, die eine Zustimmungsabstimmung verwendet haben, gaben auch die höchste Zustimmungsrate bei der Beantwortung der Frage "Wie gut hat das Input-Format Ihre Präferenzen erfasst?".
Robustheit
Experimentelle Studien und Simulationsergebnisse legen nahe, dass die Wahl des Eingabeformats nur einen geringen Einfluss auf das Wahlergebnis hat. Daher ist die Wahl des Eingabeformats am Ende nicht sehr wichtig. Dies könnte ein Grund dafür sein, das Eingabeformat zu wählen, das am einfachsten zu verwenden ist, was wahrscheinlich eine Zustimmungsabstimmung ist.